Bundestagwahl 2005: sozionisch gesehen

Reinhard Landwehr, , 16. September 2005.

 

Gerhard Merkel oder Angela Schroder? So verworren und diffizil stellt sich zahlreichen Wahlern die Entscheidungsfrage bei der Bundestagswahl am 18. September 2005. Viele sehen die Kandidaten nicht mit einer Brille, die nur ein Schwarz-Wei?-Bild zulasst, sondern erkennen sowohl Starken als auch Schwachen bei beiden Kandidaten, sodass fur sie eine Gro?e Koalition ein wunschenswerter Kompromiss darstellt.

Allerdings ist mit einer blo?en Addition von Personlichkeiten noch kein Problem gelost, weil keineswegs garantiert ist, dass beide Kandidaten und ihre Parteien zusammenpassen und sich nicht auch bei abgeschalteten Fernsehkameras wie Hund und Katze bekampfen werden.

Antworten auf diese Fragen nach den Starken und Schwachen von Personlichkeiten und ihre moglichen Erganzungen oder Konflikten versucht die junge Wissenschaft der Sozionik zu geben.

Eine sozionische Analyse beginnt mit einer Typisierung der wichtigsten Akteure. Das bereitet gerade bei Politikern in einer Wahlkampfsituation besondere Probleme; denn einerseits mussen alle Kandidaten, die von gro?eren Parteien auf den Schild gehoben wurden, durchaus uber gemeinsame Eigenschaften verfugen: sie mussen nach Macht streben und gelernt haben, wie man sich innerhalb einer Partei durchsetzen kann. Zugleich mussen sie Wahler fur sich gewinnen, indem sie politische Fragen und ihre Losungen so darstellen konnen, dass die Wahler ihnen folgen und ihre Stimme geben.

Andererseits sind Politiker in einer Massen- und Mediendemokratie immer auch Politikdarsteller mit entsprechenden schauspielerischen Fahigkeiten, die sich so geben konnen, wie sie nach den Hinweisen ihrer Berater bei potenziellen Wahlen gut „ankommen“.

Beide Zwange des politischen Geschafts uberformen den ursprunglichen Personlichkeitstyp, sodass fur eine Typisierung auch Details aus dem vorpolitischen Leben, also vor allem aus der Kindheit und Jugend, wie sie sich in den Biografien finden, wertvolle Informationen liefern. Ansonsten wurden fast alle realen Politiker dem Typ ahneln, den die Sozioniker mit dem Pseudonym „Politiker“ oder „Diplomat“ bezeichnen. Sie lieben die Macht, die sie uber andere besitzen, und unternehmen alles, um ihre Popularitat zu steigern.

Neben dieser politisch bedingten Typuberpragung bestehen die ublichen Schwierigkeiten einer Zuordnung zu den sozionischen Typen, fur die ublicherweise neben den Hinweisen Jungs, die haufig den groben Strichen von Karikaturisten ahneln, die Profile der sechzehn Typen herangezogen werden, wie sie die jungst verstorbene Aushra Augusta und Igor Weisband auf Grund ihrer Erfahrungen mit realen Menschen verfasst haben.

Ein Vergleich zwischen dem Kanzler Gerhard Schroder und seiner Herausforderin Angela Merkel zeigt deutliche Unterschiede in den Dimensionen, die fur Jung und die Sozionik besonders relevant sind.

Wahrend Frau Merkel als Kind eher zuruckhaltend war und auch heute noch keinen small talk liebt, fallt es dem amtierenden Bundeskanzler sehr leicht, auf andere Menschen zuzugehen. Auch sind seine Antworten erklarterma?en freimutig, wenn er gern immer wieder ein: "Bitte, wir reden hier unter uns" einstreut oder seinen Gesprachspartnern auf die Schultern klopft, ja, der Inszenierungsartist Schroder (Dieball) lacht herzlich und ansteckend. Den charmierenden Schroder wunschen sich daher trotz des generell schlechten Politikerimages viele Deutsche als Nachbarn. Die Kandidatin wird hingegen von ihrer Umgebung eher als kuhl und nuchtern wahrgenommen, und Einblicke in ihre Privatsphare lasst sie nur selten zu.

Ein intensives, langes argumentatives Abwagen des Fur und Wider einer Sache oder das geduldige Verfolgen langfristiger Konzepte sind nicht das Metier des extravertierten Kanzlers Schroder, der spontan fur ihn gunstige Gelegenheiten beim Schopf zu packen versteht. So verkurzt er Diskussionen gern mit seiner Lieblingsfloskel, nach der etwas „gar keine Frage“ ist, oder er versucht eine rasche Losung durch ein abruptes "Basta!" zu erreichten.

Gerhard Schroder ist so offensichtlich der geborene Diplomat und Politiker (ESFP), wie einige Sozioniker diesen Typ bezeichnen und naher charakterisieren: er tritt selbstsicher und gewinnend auf, sodass er ein guter Botschafter fur seine Sache und vor allem fur sich selbst ist. Dank seines Wagemuts und seiner Entscheidungsfreudigkeit wei? er immer, was er will. Ein „Politiker“ liebt es, angesehen zu sein und im Mittelpunkt zustehen. Dabei hilft ihm seine Fahigkeit, in Gesprachen leicht eine intime und aufrichtige Atmosphare zu schaffen.

Von diesem Typ weicht Frau Merkel, die vor ihrer politischen Karriere als theoretische Physikerin gearbeitet hat, deutlich ab, da sie sich nicht scheut, auch fur „Visionen“ in der Politik zu votieren, ein Gesamtkonzept einzufordern und erst nach reiflichem Abwagen moglicher Folgen Entscheidungen zu fallen. Dabei ist sie trotz des medial vermittelten Politikbetriebes stark an der jeweiligen Sache orientiert, wenn sie sogar als Frau ihrer Frisur und ihrem ubrigen Outfit relativ wenig Bedeutung beimisst. In der Sprache der Sozioniker, die sie als „Analytikerin“ (INTJ) typisieren konnen, stellt diese ostdeutsche Frau ohne Jurastudium und fuhrende Mitgliedschaft in der Jugendorganisation ihrer Partei somit eher eine „Anti-Politikerin“ dar.

Anders als der Bundeskanzler ist sein Vize Joschka Fischer auf seinen Bucherschrank stolz, sodass nicht nur seine Sorge und Reflexion ausdruckenden Stirnfalten auf einen Denktyp verweisen. Kennzeichnend fur ihn ist zudem seine ausgepragte Wandlungsfahigkeit, die ihn vom schulisch gescheiterten Messdiener uber einen gewalttatigen Sponti im Frankfurt der 68er-Generation, einen streng pazifistischer Grunenpolitiker und hessischen Turnschuhminister bis zum staatsmannisch auftretenden Au?enminister im Dreiteiler gebracht hat, auf dessen die Schultern die Probleme der Welt in Gegenwart und Zukunft zu lasten scheinen.

So unterschiedlich diese Rollen auch sind, verstand es Fischer offensichtlich immer, eine gute Figur und damit Karriere zu machen, weil er sich der jeweiligen Umwelt gut einzupassen verstand. Das gilt nicht zuletzt auch fur das weibliche Geschlecht. Solche kontaktfreudigen und einfuhlsamen Menschen, die auch durchaus etwas von einem Casanova haben konnen, nennen die Sozioniker „Psychologen“ (ENFP).

Nicht nur die politischen Vorstellungen, sondern auch die Personlichkeitsmerkmale konnen die Animositaten zwischen dem Vizekanzler und dem FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle erklaren, dessen Leben uberaus geradlinig verlaufen ist, und das obwohl die sexuelle Orientierung einer unkomplizierten sozialen Integration durchaus hatte im Wege stehen konnen.

Schon als Kind hat Westerwelle seinen Traumen vom Weltenbummler, von Flynn Errol und Pippi Langstrumpf, abgeschworen und war stattdessen besonders brav. Der FDP-Vorsitzende lebt als ein „Li-La-Launebar” (Schnaas) voller Optimismus in Ubereinstimmung mit der Welt, so wie sie ist. Bei diesem flei?igen „Arbeitstier“ (Knuppel) schatzen seine Anhanger den Klartext, den er in der Tagespolitik spricht, und seinen kuhlen Pragmatismus, wahrend seine Gegner tiefer gehende Wertvorstellungen vermissen.

Damit entspricht Westerwelle dem sozionischen Typ des „Pragmatikers“ (ISTJ), der als konsequenter Organisator leicht die Probleme des Alltagslebens losen kann,, was ihm allerdings nicht immer nur Freunde schafft, da ein „Pragmatiker“ nur wenig Verstandnis fur das nachlassige und verantwortungslose Verhalten anderer aufbringen kann.

Auch wenn der CSU-Vorsitzende Edmund Stoiber ganz wie Westerwelle eine stetige Juristenkarriere mit Promotion und eine ebenso gradlinige Parteikarriere uber das Amt des Generalsekretars seiner Partei durchlaufen hat, unterscheiden sich beide in ihren Personlichkeitsmerkmalen deutlich, was ihre gegenseitige Geringschatzung erklaren kann. Stoiber, der in seinen jungeren Jahren wegen seiner rhetorischen Spitzen als „blondes Fallbeil“ kritisiert wurde, sieht sich als Wahrer der 2christlich-abendlandischen Leitkultur2, die nicht in einem „Mischmasch“ aufgehen soll. Obwohl er auf Grund seiner scharfen Formulierungen oft polarisierend wirkt, sieht er sich selbst als „Anhanger der Konsensgesellschaft“ und zaudert nicht selten, wenn Entscheidungen zu treffen sind, etwa bei der Wahl zwischen einem Amt in Bayern oder Berlin.

Dieses muhsame Ringen um die richtigen Worte und Handlungen erklart auch seinen teilweise gedrechselten und von Pausen unterbrochenen Redestil, wobei sich innere Spannungen auch in seiner Neigung zu einer ausgepragten Gestik zeigen, die nicht selten aggressiv wirkt.

Sozioniker bezeichnen diesen zuweilen belehrend agierenden Typ, der durch eine dramatisierende Weltsicht und einer Tendenz zu Zweifeln gekennzeichnet ist, als „Mentor“ (ENFJ), fur den der von Shakespeare geschaffene Charakter des Danenprinzen Hamlet als pragnantes Beispiel gilt.

Die Politiker der Linkspartei unterscheiden sich nicht nur in ihren politischen Konzepten von denen der sogenannten neoliberalen Hartz-IV-Parteien. Auch durch ihre Personlichkeitsmerkmale weichen sie deutlich ab. Das gilt vor allem fur Oskar Lafontaine, den eine distanziert-kritische Einstellung sogar gegenuber seiner engeren Umwelt. kennzeichnet. Diese Skepsis gegenuber der etablierten Macht zieht sich trotz seiner eigenen fuhrenden Positionen als Oberburgermeister, Ministerprasident und Parteivorsitzender durch sein ganzes Leben, angefangen als jugendlicher „Linker“ in einem katholischen Internat und als Stipendiat des Cusanus Werks, spater als scharfer Opponent des damaligen SPD-Bundskanzlers Schmidt auf Anti-Kriegs- und Atom-Demonstrationen und jetzt als Konkurrent von Bundeskanzler Schroder und der SPD, deren Vorsitzender und Kanzlerkandidat er vor nicht allzu vielen Jahren selbst war.

Solche Menschen mit einer au?erordentlich gut ausgepragten Beobachtungsgabe und einer skeptischen Grundhaltung nennen die Sozioniker „Kritiker“ (INTP). Sie messen die realen Lebensverhaltnisse der Menschen an ihren Idealen und konnen so leicht zu einem Schluss kommen, mit dem Lafontaine eines seiner Bucher betitelt hat: „Die Wut wachst. Politik braucht Prinzipien“.

Innerhalb der Linkspartei trennen Oskar Lafontaine und Gregor Gysi nicht nur ihre differierende politische Herkunft aus der westdeutschen SPD und der ostdeutschen SED bzw. PDS, sondern auch ihre Personlichkeitsmerkmale. „Take it easy, take Gysi!”, empfahl sich vor einigen Jahren der Ostdeutsche, der wegen seiner witzigen und quirligen Beitrage ein gern gesehener Gast von Talk Shows ist, in denen er im Plauderton fur den Sozialismus zu werben versteht. Dabei vergisst er trotz dieses abstrakten Zukunftsentwurfs keineswegs die personlichen Annehmlichkeiten des Hier und Jetzt, wie seine Bonusmeilen-Affare gezeigt hat. Trotz seines ausgepragten Enthusiasmus steht Gysi eben mit beiden Beinen auf der Erde, da er genau wei?, wie man sein Geld verdient und mit seinen Mitmenschen zurechtkommt. Einen solchen emotionalen, umtriebigen Menschen, der es versteht es, gut zu leben, bezeichnet die Sozionik als “Bonviant”.

 

Politiker

Code

Pseudonym

Bezeichnung nach Elena Hochnadel, www.sozionik.info

Joschka Fischer

ENFp

Psychologe

moglichkeitsintuitiver Beziehungsethiker

Gregor Gysi

ESFj

Bonvivant

emotionsethischer Empfindungssensoriker

Oskar Lafontaine (*)

INTp

Kritiker

zeitintuitiver Handlungslogiker

Angela Merkel

INTj

Analytikerin

strukturlogische Moglichkeitsintuitive

Gerhard Schroder

ESFp

Diplomat

kraftsensorischer Beziehungsethiker

Edmund Stoiber

ENFj

Mentor

moglichkeitsintuitiver Beziehungsethiker

Guido Westerwelle

ISTj

Pragmatiker

strukturlogischer Kraftsensoriker

Anmerkung des Webmeisters (Dmitri Lytov): meiner Meinung nach ist Lafontaine eher ein ENTP (Erfinder) als ein INTP,
und daher muss zur selben Quadra gehören als Gregor Gysi.

 

Das Duell zwischen dem Kanzler und der Kanzlerkandidatin ist somit nicht nur eine politische Richtungsentscheidung, wie es von den Parteien immer wieder betont wird, sondern auch eine Entscheidung zwischen zwei sehr verschiedenen Personlichkeitstypen. In einer Kanzlerdemokratie, die sehr stark von der Person an der Spitze mit ihrer Richtlinienkompetenz gepragt wird, kann damit sogar durchaus eine zusatzliche politische Weichenstellung verbunden sein..

Nach dem Urteil der Sozionik fuhrt die Zugehorigkeit zu verschiedenen Typen zu unterschiedlichen Wahrnehmungen der Umwelt und ihrer Probleme, aber auch zu abweichende Prioritatensetzungen und Handlungsweisen. Ein „Diplomat“ und eine „Analytikerin“ konnen daher nicht nur in einstudierten TV-Auftritten keine gemeinsame Sprachbasis oder gar einen Konsens finden, sondern sie sehen sich beim Austausch ihrer Argumente auch unglaubig an, weil sie sich einfach kaum verstehen konnen.

Unabhangig von den politischen Inhalten lasst sich eine Wahl auch als ein Barometer fur die dominanten Orientierungen einer Gesellschaft interpretieren. Sieht man zentrale Trends der modernen Mediendemokratie vor allem in einer Personalisierung und Kurzfristigkeit von Politik, die in Talks Shows moglichst offen ausgebreitet wird und schnelle Reaktionen auf jede neue Tagesnachricht verlagt, so konnen die Wahler entweder einen Politikertyp wahlen, der dieser Tendenz mit seinen Personlichkeitsmerkmalen entspricht, oder aber einen Typ bevorzugen, der im Sinne der Sozionik starker eine Erganzung darstellt und Defizite in der Gesellschaft kompensieren kann. Das aktuelle Duell zwischen dem „Politiker“ Schroder und der „Analytikerin“ Merkel kann daher uber diese Praferenz und Erfahrung des Gros der Wahler fast idealtypisch Aufschluss geben.

Allerdings muss man bei einer Gesamtbeurteilung berucksichtigen, dass der von der Sozionik so energisch geforderte Ausgleich von personlichen Starken und Schwachen nicht zwangslaufig von einer einzelnen Person erwartet werden muss. Vielmehr kann ihn auch ein Kabinett leisten, das – betrachtet man das Spannungsfeld zwischen den Tendenzen einer Mediengesellschaft und den Erfordernissen wirtschaftlicher und sozialer Entwicklungen in einer globalisierten Welt – auch konzeptionelle und langerfristige Chancen erkennt und gezielt zu nutzen versteht.

 

Ergänzung vom 16. Oktober 2005

Der Typisierungsvorschlag war vielleicht ein sehr kühner Versuch, da gerade Politiker - und noch dazu im Wahlkampf – sich gern hinter „Masken“ verstecken, sodass man ihr „wahres“ Gesicht oder ihre tatsächliche Persönlichkeitsstruktur kaum noch erahnen kann. Zudem gehen die besonders verbreiteten sozionischen Typisierungsmethoden von einer recht intimen Primärerfahrung mit der jeweiligen Person aus, indem sie beispielsweise berücksichtigen, wie aufgeräumt eine Wohnung ist.

Wichtig für mich war daher auch vor allem eine Resonanz, und die habe ich erhalten, denn es hat sowohl zustimmende als auch kritische Kommentare und abweichende Typisierungsvorschläge gegeben. Für alle diese Hinweise möchte die ich mich sehr bedanken, da durch sie eine Weiterentwicklung nicht nur des konkreten Vorschlags, sondern auch der Vorgehensweise möglich wird.

Elena Hochnadel (www.sozionik.info) hat ihre Position auf ihrer Seite und in einem getrennten Hinweis auf Gregor Gysi dargestellt. Zudem habe ich von Herrn Dmitri Lytov, einem Sozioniker aus Sankt Petersburg, der die internationale Sozionikseite www.socioniko.net betreibt, eine Mail erhalten. Darin nimmt er eine abweichende Zuordnung von Oskar Lafontaine vor, der für ihn kein Kritiker (INTp), sondern ein Erfinder (ENTp) ist.

Betrachtet man zunächst einmal die vier einzelnen Dimensionen, so gibt es vor allem unterschiedliche Beurteilungen von I und E bei Gysi, Lafontaine und Westerwelle sowie bei J und P bzw. der dominanten Wahrnehmungsfunktion (Merkel, Schröder). Eine Differenz besteht schließlich noch in der F-T-Dimension (Fischer).

Diese kleine Statistik kann man zweifellos unterschiedlich beurteilen, fast wie ein Glas Wasser, das sich entweder als halb leer oder halb voll bezeichnen lässt. Natürlich könnte ich auch noch versuchen, für meine Position zum zweiten Mal die Werbetrommel zu schlagen und weitere Argumente ins Feld zu führen. Mir scheint es jedoch wichtiger zu sein, einerseits auf die Schwierigkeiten bei einer objektiven Typisierung aufmerksam zu machen und andererseits die Entwicklung von Typisierungsmethoden zu wünschen, die eindeutiger und leichter nachvollziehbar sind als die bisherigen.

Diesen Weg schlägt Herr Lytov ein, wenn er sein abweichendes Urteil mit einem Verweis auf die sozionischen Profile der Typen sehr präzise begründet. So weist er zunächst auf ein mögliches Missverständnis hin, dass mit dem Pseudonym Kritiker verbunden werden kann; denn der „Kritiker“ ist in der Sozionik niemand, der „alle anderen Leute kritisiert“, sondern seine Kritik darauf richtet, „unnötige Arbeit und/oder unvernünftige Tätigkeiten zu vermeiden“. Im sozialen Umgang ist er hingegen „gewöhnlich eine ruhige und etwas nachgiebige Person.“ Als typisches Beispiel für einen „Kritiker“ nennt Herr Lytov den antiken griechischen Philosophen Sokrates, dessen Kritik „sehr fein und kunstvoll“ ist, wenn er etwa die Widersprüche in der Position seiner Opponenten durch für ihn charakteristische Fragen entlarven will, wie etwa:„Das ist ganz gut und logisch, aber hast du alle Möglichkeiten in Betracht gezogen?“.

Für Herrn Lytov ist Lafontaine hingegen ein „Erfinder“, der nach dem sozionischen Profil „oft offen ausspricht, was er für das Richtige hält, ohne zu bedenken, welche Folgen es bringen kann“.

Auch bei diesem „ganzheitlichen“ Typisierungsansatz kann man vielleicht noch andere Teile der jeweiligen Profile betrachten oder zu anderen Beurteilungen des Verhaltens von Oskar Lafontaine gelangen.

Man kann allerdings auch auf die Zukunft warten, denn für Herrn Lytov bilden Gysi und Lafontaine nach der sozionischen Logik eine Koalition, da sie beide zur 1. Quadra zählen, während die deutschen Medien ja eher Reibereien zwischen zwei Egomanen erwarten.